Basel (BZZ) – Die aktuelle Diskussion um Halal-Food in den deutschsprachigen Ländern basiert zu einem Teil auf sprachlichen Differenzen bezüglich des Begriffs „schächten“ und auf Fehlinterpretationen des Begriffs „halal“. Würden die Germanisten und die führenden Publikationen die daraus resultierende Begriffsverwirrung beseitigen, dann könne viel Zündstoff aus der hitzigen Debatte herausgenommen werden. Diese Aussage machte am Samstag der in Basel tätige Fachjournalist und Publizist Peter Z. Ziegler in seinem Informationsbrief an die fleischverarbeitende Industrie aus Anlass der World Halal Konferenz in London.
Als Beispiel für verschiedene Interpretationen des Begriffs diente zunächst eine moderne Definition aus dem elektronischen Nachfolger des Brockhaus, der Internetenzyklopädie Wikipedia. Dort heisst es: „Das Schächten ist das rituelle Schlachten von Tieren, insbesondere im Judentum und im Islam. Die Tiere werden mit einem speziellen Messer mit einem einzigen großen Schnitt quer durch die Halsunterseite, in dessen Folge die großen Blutgefäße sowie Luft- und Speiseröhre durchtrennt werden, getötet. Mit dem Schächten soll das möglichst rückstandslose Ausbluten des Tieres gewährleistet werden.“ Dann aber wird, abweichend von Definitionen in alten deutschen Lexika ergänzt: „Das Schächten erfolgt im Judentum ohne vorgängige Betäubung des Tieres, da nach strenger jüdischer Auffassung das Tier durch die Betäubung verletzt und das Fleisch dadurch zum Verzehr unbrauchbar wird. Im Islam ist eine elektrische Betäubung nach bestimmten Rechtsschulen zulässig. Auch die Betäubung durch einen Schlachtschussapparat wird von einigen islamischen Geistlichen befürwortet.“ Andere deutsche Wörterbücher und Lexika haben sich nicht weiterentwickelt, aus welchen Gründen auch immer:
Quelle: deutsches Wikipedia
- Wiktionary liefert für „schächten“ diese Erklärung: „… entsprechend religiöser Vorschrift (rituell oder ritualisiert) schlachten, wobei dem Schlachtvieh betäubungslos der Hals aufgeschnitten wird, um es ausbluten zu lassen.“
- Der DUDEN führte in seinem Bedeutungswörterbuch von 1970 die Vokabel „schächten“ noch gar nicht auf, während in seinem neuesten Deutschen Universalwörterbuch (online abrufbar) immerhin die karge Definition steht: „schäch|ten [hebr. sahat = schlachten]: gemäß religiöser Vorschrift durch Schnitte in den Hals u. Ausblutenlassen schlachten.“
- Das Rechtslexikon von juraforum.de benutzt die traditionelle Definition: „Schächten ist die Schlachtung eines warmblütigen Tieres ohne Betäubung, die vorwiegend aus religiösen Gründen vorgenommen wird.“
- Es muss verwundern, dass in den einschlägigen theologischen Lexika die Stichworte „schlachten“ und „schächten“ fehlen, schreibt Michael Rosenberger in „Ethik im Konflikt der Űberzeugungen.“
Peter Z. Ziegler ist der Meinung, dass es wenig Sinn macht, sich noch weiter in die historischen Tücken der deutschen Sprache zu vertiefen und empfiehlt die Benutzung der englischen Sprache, wie sie auch von der EU-Arbeitsgruppe „Dialog der Religionen“ (DIALREL) und bei allen internationalen Halal-Konferenzen gebraucht wird. Im Oktober publizierte DIALREL das durchaus umstrittene Schlussdokument. Dort wird unterschieden zwischen „neck cutting without stunning“ (Schneiden durch den Hals ohne Betäubung), „reversible stunning“ (die Betäubung, die umkehrbar ist, also nicht den Tod des Tieres zur Folge hat) und schliesslich das „post cut stunning“ (die Betäubung nach dem Schneiden durch den Hals, wie sie u.a. in Österreich praktiziert wird).
Da sich die Schlachttechnik in den vergangenen Jahren weiter entwickelt habe, hätten islamische Religionsgelehrte entsprechend reagiert und das Schächten ohne Betäubung auf den Prüfstand gestellt, das wüssten auch islamische Vereinigungen in Deutschland. Eine industrielle Schächtung ohne Betäubung ist nach Meinung des Basler Fachjournalisten in den deutschsprachigen Ländern nicht mehr durchsetzbar. In Neuseeland und Australien würden tonnenweise Fleisch für die arabischen Länder produziert und die Schafe und Rinder vor der Tötung elektrisch betäubt. Leider gäbe es derzeit die sehr effiziente „Jarvis Stun Box“ zwar an drei Schlachthöfen von VION in Crailsheim, Furth i.W. und Bad Buchloe, doch würden diese ca. 75´000 Euro teuren Apparaturen nicht für Halal-Schlachtungen benutzt. „Dabei fehlt eigentlich an der „Stunning Box“ nur ein Muslim als Schlachter“, sagt Ziegler, „und VION weiss dies auch. Dennoch lässt der Konzern in Grossbritannien lieber ohne jede Betäubung schlachten und kommt damit auch mit konservativen Muslimen nicht in Konflikt.“ Das sei, so der Fachjournalist, für die deutsche Fleischindustrie ein klarer Wettbewerbsnachteil. „Ich hoffe, dass hier bald einmal der Europäische Gerichtshof in Luxemburg angerufen wird“.
Website des neuseeländischen Herstellers Jarvis.
Auch das „ritual slaughtering without stunning“, also das traditionelle Schächten, wird in Lexika und den Medien weitgehend undifferenziert erklärt. Peter Z. Ziegler erläuterte das bildlich mit den Fotos einer variablen „Schächttrommel“, manchmal auch „Schächtfalle“ genannt, die von einem privaten Schlachthof in Süddeutschland für behördlich genehmigte betäubungslose Schächtungen von Rindern angeschafft worden ist.
In dieser Stellung der Trommel wird das Rind eingetrieben.
In der islamischen Stellung wird das Rind um 90 Grad gedreht.
In der jüdischen Stellung wird das Rind um 180 Grad gedreht.
Der Experte weist darauf hin, dass in dieser Schächttrommel die Rinder vor dem Schnitt in den Hals auch auf herkömmliche Weise betäubt werden können. Hier käme jedoch nur eine Betäubung mit dem üblichen nicht reversiblen Bolzenschuss in Frage. Für eine elektrische Betäubung von Jungbullen oder gar Rindern ist dieser Schlachthof nicht ausgelegt. Zum Ausbluten genügt es, das Rind um 90% zu drehen.