Berlin (BZZ) – Die Nachricht ist unzweideutig und alarmierend: die Stiftung Warentest hat die Etiketten von 207 Geflügelfleischerzeugnissen überprüft: Bei etwa jeder vierten Wurst stand groß „Geflügel“, „Pute“ oder „Truthahn“ drauf, doch es war auch Fleisch vom Schwein oder Rind verarbeitet – überwiegend fast genauso viel, manchmal sogar mehr als Geflügelfleisch. Zu erkennen ist das nur im Kleingedruckten. War das die ganze Wahrheit, wie reagieren die Hersteller und der Gesetzgeber? Und was bedeutet diese Nachricht für die muslimische Community in Deutschland?
Dieser Beitrag wurde am 5. August 2016 aktualisiert. Siehe: Halal-Produkte News
Islamphobe PI-Blogger reagieren stets rasch, so auch bei dieser Nachricht. Hämisch wird bemerkt, dass man sich diebisch über „die türkische Mutti amüsiere“, die in einem deutschen Supermarkt Geflügelwurst kaufe, in der falschen Annahme, dass dort kein Schweinefleisch verarbeitet worden sei. Inzwischen wurden die Muslime Deutschlands von ihren Bloggern aufgeklärt und bei Edeka, Kaufland, Penny und Rewe dürfte sich bereits die Angst breit machen, künftig von den Muslimen boykottiert zu werden. Fragwürdig ist allerdings, ob die Wurstwaren in türkischen Ethnomärkten wirklich von besserer Qualität und die Zutaten ehrlich benannt sind.
Bernhard Meemken´s Halal-Wurstwaren in der Schusslinie
Auf beiden Märkten aktiv ist die Bernhard Meemken Wurstwaren mit „Kamar Halal Food“. Das steht trotz seines wegweisenden Namens gleich mit 5 Produkten auf der Liste der unechten Geflügelprodukte. Das auf türkische Kunden zielende Unternehmen sieht sich nach Egetürk als grösster Halal-Wurstwaren-Produzent in Deutschland. Peinlich für die Brüder Bernhard und Rolf Meemken, die das Wurstwaren-Unternehmen (215 Mitarbeiter) leiten. Noch am 1. Mai berichtete die lokale NWZ Online, die Brüder hätten in Gehlenberg „noch viel vor“. Meemken: „Die Produkte in Gehlenberg werden nach Halal-Normen hergestellt. In Delitzsch wird Schweinefleisch verarbeitet.“ Da ist hoffentlich im Fleischwolf nichts durcheinander geraten. Nachgewiesen worden ist in der Kamar-Geflügelwurst bisher nur Rindfleisch, womit die Meemkenbrüder bei den Muslimen aber noch lange nicht aus der Schusslinie sind. Für nicht wenige türkische Grosshändler stellt Meemken unter deren Privatlabel Wurstwaren her, und überall prangt das türkische „Helal“-Zertifikat. Untersuchungen dazu stehen (noch) aus.
Meemken´s Halal-Verkaufsleiter Osman Mahmoud im Internet: „Als einer der größten Halal-Fleisch-Produzenten in Deutschland und Europa stellen wir in der Woche mehr als 100 Tonnen Brühwurst, Rauchwurst und Sosis her. Unsere Produkte exportieren wir in 11 Länder und arbeiten dabei mit namhaften Großhändlern und Handelsketten zusammen.“ Da steht Substanz dahinter, die jetzt in Gefahr gerät.
Nach test.de sind Meemken´s „Halal-Produkte“ jetzt auf dem islamischen Prüfstand, denn Kamar Izgaralik Tavuk Sosis, Hindi Salam, Tavuk Cigir Etmezi, Chicken Mortadella und Hähnchenleberwurst sind nachweislich keine reine Geflügel-Leberwurst. Da Meemken dort Rindfleisch als Zutat verwendet, stellt sich für glaubenstreue Muslime sofort die Frage, bei wem der deutsche Produzent diesen Rohstoff einkauft und wer diesen zertifiziert hat. Das hochpreisige Halalrindfleisch und Rindfleischfett, so ist zu vermuten, wird kaum in der billigen Geflügel- Leberwurst verarbeitet, denn gerade Rindfleisch und Rindfleischfett aus traditioneller, d.h. betäubungsloser Halal-Schlachtung ist immer sehr knapp und folglich teuer. Es wird deshalb allenfalls für Salami und Brühwurst (Sigir Sosis) verarbeitet. Was ist also drinnen in den Kamar-Würsten?
Der islamkonforme Inhalt der Meemken-Würste muss mit allen Konsequenzen auch beim Islamischen Zentrum in Aachen hinterfragt werden, das die Produkte seit 2009 halal, türkisch „helal“, zertifiziert. Das Zertifikat aus Aachen ist inzwischen fachlich wie islamologisch umstritten, es wird international von den weltweit tonangebenden Halal-Experten Malaysia und Indonesien nicht anerkannt. Badreddin Hawari, der 35jährige Juniorchef des Islamischen Zentrums, gilt in der Branche als Troublemaker und es gibt Nachweise, dass er Schlachtbetriebe als islamkonform zertifizierte, die mit dem Bolzenschuss betäuben. Hawari jr. besitzt selbst keine abgeschlossene islamologische Ausbildung, wird jedoch von seinem Vater, einem weltbekannten Professor des islamischen Rechts, beraten und protegiert. Bislang wird sein Tun noch von Aiman Mazyek gedeckt, deutscher Medienberater und Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Dieser sitzt im Rat der Bilal-Moschee in Aachen, dem Aufsichtsorgan über das dortige Islamische Zentrum. Die Einnahmen von Moschee und des gemeinnützigen Islamischem Zentrums aus Halal-Zertifizierungen dürfte längst einen 7stelligen Betrag erreicht haben, manche Schätzungen gehen sogar weit darüber hinaus. Meemken Wurstwaren sind eine der wichtigsten Einnahmequellen von Hawari & Co.
Experten sind sich einig: Folgt nach dem misslungenen Tests bei der Stiftung Warentest ein Meemken-Skandal, dann wird dieser die deutsch-türkische Halal-Szene bis auf die Grundfesten erschüttern. Ohne eine staatlich geregelte Halal-Kontrolle haben die gutgläubigen muslimischen Verbraucher die Wahl der Qual. In deutschen Supermärkten werden sie mit Kleingedrucktem halblegal beschummelt, in türkischen Geschäften nicht selten mit minderwertiger Ware abgezockt. Dort stehen sogar systematische lebensmittelrechtliche Kontrollen noch aus. Doch vorerst stehen deutsche Sünder am Pranger von test.de.
Zuerst stehen die deutschen Sünder am Pranger
Gerade mal 10 der von Warentest überprüften Erzeugnisse lassen schon in der Verkehrsbezeichnung erkennen, dass sie nicht nur aus Geflügelfleisch hergestellt sind. Auf ihnen steht zum Beispiel „Cocktailwürstchen mit Geflügelfleisch“. Allerdings: Nur im Ausnahmefall wird der Anteil an Geflügelfleisch konkret genannt. Einige Fälle sind noch gravierender: Die Purland Delikatess Geflügel-Leberwurst besteht aus nur 20 Prozent Putenfleisch. Den Rest machen 46 Prozent Schweinefleisch, 22 Prozent Schweineleber und außerdem noch Speck aus. Auch die Wiltmann Geflügel-Leberwurst enthält nur 26 Prozent Truthahn, dafür aber 31 Prozent Leber und 20 Prozent Fleisch – beides vom Schwein. Auf den ersten Blick ist das für Verbraucher nicht zu erkennen. Bei der Aldag Truthahn-Leberwurst mit Schnittlauch hilft nicht mal der zweite Blick: Die grüne Schrift vor grünem Hintergrund ist schlecht lesbar und verstößt gegen die Vorschriften für die Lebensmittelkennzeichnung. Dass in dieser Wurst 29 Prozent Schweineleber und außerdem Speck stecken, dürfte deshalb vielen Käufern gänzlich verborgen bleiben.
Es gibt laut Stiftung Warentest aber auch ein erfreuliches Ergebnis: 105 der 207 Geflügelfleischerzeugnisse, also etwa die Hälfte aller überprüften Produkte enthalten laut Zutatenverzeichnis nur Geflügelfleisch, obwohl es bei ihnen keinen Extra-Hinweis darauf gibt. Hier zeigt sich, dass sich die redliche Herstellungspraxis bereits heute danach richtet, was Verbraucher erwarten: Wenn Geflügelwurst darauf steht, sollte auch nur Geflügelfleisch drin sein. Die Tester räumen auch mit dem Vorurteil auf, in einer schmackhaften deutschen Wurst müsse eben auch Schwein enthalten sein. Die große Zahl von Produkten, die nur aus Geflügelfleisch bestehen, zeigt: In Geflügelwurst kann auf Schweinefleisch sehr wohl verzichtet werden – auch wenn manch ein Hersteller behauptet, dass dies aus technologischen oder geschmacklichen Gründen nicht möglich sei. Statt Speck wird oft Geflügelfett eingesetzt, bei Salami ersetzt Pflanzenfett den Speck.
Autor: Peter Z. Ziegler
Quelle: Stiftung Warentest