Die Lebensmittelbranche will Geld mit islamkonformen Produkten verdienen – und erwägt ein einheitliches „Gütesiegel“.
„100 Prozent halal“, verheißt das Werbelogo des deutsch-türkischen Lebensmittelforums DTFOOD für die Europäische Halal-Konferenz. Der Absatz von Halal-Speisen, die islamischen Geboten entsprechen, boomt weltweit. Auf vier bis fünf Milliarden Euro veranschlagt DTFOOD das derzeitige Marktvolumen in Deutschland, Tendenz steigend.
„Der Halal-Markt ist ein Markt im Aufbruch“, sagt DTFOOD-Vizepräsident Holger Hey. Häufig ist jedoch unklar, wie halal die Produkte tatsächlich sind. Dutzende Institute vergeben Zertifikate. Die Konferenz am Rande der internationalen Fleischmesse in Düsseldorf soll den Auftakt für den langen Weg zu einem einheitlichen Standard bilden.
Eine wachsende Zahl muslimischer Konsumenten achtet darauf, ob Produkte mit den Scharia-Bestimmungen vereinbar sind. Hierzulande zögert der Handel aber oft noch mit Halal-Kennzeichnungen, während Supermarkt- und Fastfood-Ketten in Frankreich und Großbritannien diese schon auf die Packungen drucken. Lebensmittelgigant Nestlé bietet nach eigenen Angaben schon lange Halal-Versionen von Kit Kat, Smarties, Maggi-Suppen oder Nescafé an. Mit Halal-Speisen macht der Konzern fünf Prozent seines weltweiten Umsatzes – das entspricht umgerechnet 4,1 Milliarden Euro, wie das Unternehmen vor kurzem erklärte.
Halal – auf Türkisch helal – bezeichnet im weitesten Sinne alles, was im Islam erlaubt ist. Das gilt auch für Medikamente, Kosmetika oder Lebensmittel, die unter anderem ohne Alkohol oder Schweinefleisch sein müssen. Fleisch ist nur dann genehm, wenn es auf spezielle Weise geschächtet wird. Dabei gehen die Ansichten auseinander, welche Schlachtmethode erlaubt ist. Dazu kommen theologische und andere Meinungsverschiedenheiten. Hasan Karaca, Geschäftsführer des Kölner Forschungszentrums für Religion und Gesellschaft, verweist zudem auf einen inneren Widerspruch in der Halal-Debatte. So sei der religiöse Blickwinkel eher am Verbotenen orientiert, während die marktwirtschaftliche Logik sich vor allem am Erlaubten und Machbaren ausrichte.
Halal-Zertifikate sind bislang genauso schwer durchschaubar wie Bio-Siegel. In Deutschland geht Anya Schlie, Vorstandssprecherin von DTFOOD, von zehn Zertifizierern aus. Weltweit bieten demnach knapp hundert Einrichtungen ihre Dienste an.
Die Vielfalt der Zertifikate beschäftigt auch die Lebensmittelindustrie. Die Unternehmen wollen für den Export und für den wachsenden Halal-Markt in Europa klare Vorgaben. „Wir wären ausgesprochen erfreut, wenn wir irgendwann mal einen einheitlichen Standard hätten“, sagt Dieter Stanislawski, der mit seinem Labor für die Industrie Fleischprodukte analysiert. Für große Konzerne ist es kaum machbar, in jedem Land wieder vor der Frage zu stehen, welches Halal-Siegel dort akzeptiert werde, ergänzt Anya Schlie. Süßwarenhersteller Haribo etwa verweist für seine Gummibärchen-Variante ohne Schweine-Gelatine auf seiner türkischen Website unter anderem auf Halal-Zertifikate aus Brasilien.
Über klare Regeln diskutieren in Düsseldorf etwa dreißig europäische Zertifizierer mit Lebensmittelproduzenten und Islamgelehrten. Der Düsseldorfer Konferenz sollen weitere Treffen folgen – eine rasche Einigung wird aber nicht erwartet. „Es wird wahrscheinlich gar nicht zu einem einheitlichen Standard kommen“, prophezeit Schlie. Stattdessen werde es mittelfristig wohl mehrere etablierte Kategorien von halal geben, die sich mehr oder weniger wörtlich am Koran und der islamischen Tradition orientieren. In fünf Jahren werden dennoch viele Supermärkte auch hierzulande Helal-Waren führen, glaubt Messegeschäftsführer Hans Werner Reinhard.
Quelle: www.welt.de