Wien (BZZ) – Eine Nahrungsergänzung, die aus Menschenhaaren oder Entenfedern gewonnen worden ist, wird von einem Unternehmen in Niederösterreich als islamkonform angeboten und im Internet vor allem gegen Potenzstörungen an ältere Männer verkauft. Das erforderliche Halal-Zertifikat hat die umstrittene Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) ausgestellt. Die Lebensmittelprüfer der Glaubensgemeinschaft erwiesen sich beim Audit als derart inkompetent, dass sie nicht einmal die chemische Bedeutung der Inhaltsstoffe richtig interpretierten. Schon deren Lektüre hätte ausgereicht um dem Produkt namens „Männerkraft“ jegliche Anerkennung zu verweigern. Dort wurde u.a. der Stoff „L-Arginin Hydrochlorid“ aufgeführt, der in Fachkreisen als wenig gesundheitsfördernd beschrieben wird. Unbeschadet der Kritik hat die IGGiÖ vor wenigen Tagen das Zertifikat gegen die üblichen Gebühren nochmals für ein Jahr erneuert.
Der jetzt publik gewordene Fehlgriff der muslimischen Autoritäten in Wien wirft gleich drei rechtliche Probleme auf, die weit über eine islamologische Betrachtungsweise der so genannten Nahrungsergänzungen hinausgehen. Zum einen ist da die 2012 in Kraft getretene Health-Claim-Verordnung der EU. Sie gebietet, dass nur noch jene Aussagen über Produkte, Substanzen oder Wirkstoffe verwendet werden dürfen, die in der Verordnung 432/212 der Europäischen Kommission verwendet werden. Das wirkt für kritische Mitbewerber als Maulkorb und behindert den Verbraucherschutz. Desweiteren gilt in für den Hersteller der „Männerkraft“ noch immer das Österreichische Lebensmittelbuch (Codex Alimentarius Austriacus), das bis heute Ausnahmen von der strengeren EU-Gesetzgebung zulässt von denen die Produzenten in Österreich gerne und häufig Gebrauch machen. Schliesslich ist es de facto Etikettenschwindel wenn im Ausland mit einem Halal-Zertifikat aus Österreich geworben wird, das von keiner der bekannten islamischen Autoritäten in Europa, Malaysia oder den Emiraten anerkannt wird. Auf der Liste der vom „Department of Islamic Development Malaysia (JAKIM)“ gelisteten Zertifizierungsorgane ist die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) nicht erwähnt, dafür aber das international bekannte „Islamic Information and Documentation Center (IIDZ)“. Mit dessen CEO, dem lebensmittelchemisch versierten Günter Ahmed Rusznak, liegt die von syrischen Migranten dominierte IGGiÖ seit Jahren im „islamologischen“ Streit. Dabei geht es vornehmlich um Einnahmen aus Halal-Zertifikationen. Da JAKIM eine von UN, WHO und EU und ebenso von der Organisation islamischer Staaten anerkannte Institution ist, wird ein österreichisches IGGiÖ-Zertifikat wertlos.
Trotz des EU-Maulkorbs hat es die BioProphyl GmbH im deutschen Eifelort Nitz gewagt Licht in das Dunkel des umstrittenen Arginin-Hydrochlorid und damit auch des Potenzmittels „Männerkraft“ des Herstellers Erich Pfingstl e.U. (www.halal-nutrition.com/) aus Niederösterreich zu bringen. Diese Informationen genügen, damit auch Nicht-Muslime sich den Kauf des angeblich gesundheitsfördernden Produkts nochmals überlegen. Auf dem Markt sind nämlich zwei verschiedene Arginin-Substanzen erhältlich: L-Arginin Base und Arginin-Hydrochlorid (HCL). Sie unterscheiden sich deutlich hinsichtlich Reinheit und pH-Wert. Während Arginin-Hydrochlorid (HCL) geruchs- und geschmacksärmer sowie wasserlöslicher als Arginin-Base ist, besteht es nur zu 75 bis 83 Prozent aus L-Arginin. L-Arginin Base dagegen löst sich langsamer in Wasser auf, besteht jedoch zu 98,5 bis 100 Prozent aus reinem L-Arginin. Die Herstellung erfolgt entweder über Fermentation oder über Extraktion. Bei der Fermentation handelt es sich um eine chemische Umwandlung von Stoffen durch Bakterien und Enzyme. Sie kommt allein bei der Produktion von Arginin-Base zum Einsatz. Verwendet werden ausschließlich kohlenhydrathaltige und damit rein pflanzliche Grundstoffe, vor allem Getreide. Bei der Extraktion wird definitionsgemäß eine Substanz aus einem Stoffgemisch extrahiert, also „herausgezogen“. Dieses Verfahren kommt sowohl bei der Produktion von Arginin-Base als auch Arginin-Hydrochlorid zum Einsatz. Verwendet werden für die Extraktion Mensch- und Tierhaare sowie Entenfedern, wobei nicht auszuschließen ist, dass diese durch Rückstände (Schwermetalle, Schadstoffe, Arzneimittel, usw.) belastet sind. Das in Deutschland erhältliche Arginin Base hat einen höheren Reinheitsgrad als das angeblich islamkonforme Arginin-Hydrochlorid aus Österreich. Damit im Vergleich zu Arginin-Base eine annähernd gleiche Wirkung erzielt werden kann, müssen nach Angaben der Chemiker deutlich höhere Mengen an Arginin-Hydrochlorid verwendet werden. Arginin-Base ist ferner basisch, Arginin-Hydrochlorid sauer. Schließlich ist die Fermentation bei Arginin-Base rein pflanzlich. Arginin-Base besitzt somit eine Qualität, die der von Arginin-Hydrochlorid weit überlegen ist.
Quellen: Produktbeschreibung von „Männerkraft“
Beschreibung des Wirkstoffs Arginin-Hydrochlorid durch die Bio Prophyl GmbH