Basel (BZZ) – Es geht wieder einmal um Religion und den Islam und schon die erste Zeile der Nachricht des deutschen Staatssenders „DW-World.de – Deutsche Welle“ ist definitiv falsch: „In den Niederlanden sind Schächtungen seit kurzem verboten.“ Das sind sie eben noch nicht. Im niederländischen Abgeordnetenhaus gab es zwar Ende Juni 116 Stimmen für und nur 30 Stimmen gegen das Verbot des rituellen Schlachtens unbetäubter Tiere, das so genannte Schächten, doch damit ist das Gesetz noch lange nicht rechtskräftig. Die jüdischen Gemeinschaften in Holland und ganz Europa wurden umgehend aktiv – und haben schwere Geschütze aufgefahren.
Jüdische Gruppen planen derzeit eine globale Strategie gegen das Verbot der rituelle Schlachtung und diskutieren sowohl politische Schritte als auch eine Klage gegen eine Rechtsvorschrift, die das koschere Schlachten in Holland verbietet. Der European Jewish Congress, prominente Mitglieder der niederländischen Gemeinde und die Europäische Konferenz der Rabbiner wollen ihre Kräfte koordinieren.
Zu den Schritten, die jetzt beschlossen wurden, gehört eine breit angelegte Aufklärung der Mitglieder
des niederländischen Senats, der das Gesetz noch ratifizieren muss. Mit unabhängigen und anerkannten Experten soll nachgewiesen werden, dass die koschere Schlachtung ebenso human ist, wenn nicht humaner, als jede andere Schlachtmethode auch. Der niederländische Senat wird voraussichtlich vor Jahresende über das Gesetz befinden. Der Gesetzentwurf wurde von den zwei Abgeordneten einer „Animal Rights Partei“ eingebracht. Sie behaupten, dass durch eine Betäubung vor der Tötung dem Tier weniger Schmerzen zugefügt würden. Die jüdische und die muslimischen Gemeinschaften haben ein Jahr, um das Gegenteil zu beweisen oder das Gesetz kommt zur Anwendung.
Einseitig gibt die Deutsche Welle die Sicht heimischer Tierschützer wieder: „Sämtliche Berichte unabhängiger Wissenschaftler bestätigen, dass die Tiere in ihrem Todeskampf alles bewusst miterleben, bis zu vier Minuten dauert ihr Sterben”. Der internationalen jüdischen Gemeinschaft dürften unter anderem renommierte Wissenschaftler aus den USA zu Hilfe eilen, wo die betäubungslose rituelle Schlachtung als eine anerkannt humane Methode gelistet wird.
„Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist äußerst klar, was den Schutz der Religionsfreiheit betrifft, insbesondere bei Abwägung mit dem Schutz von Tieren“, sagte Albert Guigui, der Oberrabbiner
von Belgien. Moshe Kantor, Präsidenten des Europäischen Jüdischen Kongresses, sagte gegenüber der jüdischen Nachrichtenagentur JTA, die Jüdische Gemeinde sei vereint und habe einen Aktionsplan, der nun
implementiert werde, um für die religiösen Rechte zu kämpfen, denn „wir haben eine gewaltige Schlacht vor uns.“ „Dieses Gesetz wird nicht nur eine bloße Unannehmlichkeit für die Juden in Holland sein, es könnte das jüdische Leben auf dem gesamten europäischen Kontinent eindämmen und wir müssen entsprechend handeln, um diese Bedrohung abzuwehren“, sagte er.
Rund 40.000 Juden und etwa 1 Millionen Muslime leben in den Niederlanden. Die muslimische Gemeinschaft in den Niederlanden hat ihre Kräfte jedoch noch nicht gebündelt und ist stark zersplittert, berichtet die Deutsche Welle. Dadurch fehlte sie in der Debatte und hatte auch keine Lobby, um gegen das Verbot zu protestieren.
Zum Schluss ihres Artikels widerspricht sich Autorin Kerstin Schweighöfer selbst. „Was den Gegnern des Schächtverbots Hoffnung gibt: Im Herbst muss das neue Gesetz noch vom niederländischen Senat gebilligt werden, und dort fallen staats- und vertragsrechtliche Argumente wie etwa das Verletzen von Grundrechten in der Regel stärker ins Gewicht als im Abgeordnetenhaus.“ So ist es: In den Niederlanden sind Schächtungen eben (noch) nicht verboten.