Halal-Fachbuch über Gütesiegel für Chemiker und Verbraucher

Hamburg (BZZ) – Ein weiteres Stück Klarheit bezüglich der boomenden Halal-Lebensmittel in Deutschland soll jetzt ein Fachbuch bringen, das sich mit Gütesiegeln für die Lebensmittelwirtschaft befasst und dabei auch detailliert auf koschere und islamkonforme Lebensmittel (Halal-Food) eingeht. Herausgeber ist die readL.media, ein Fachverlag für die Themen Qualitätsmanagement und Lebensmittelhygiene mit Sitz in Hamburg. Dieser bietet individuelle Unterstützung für Unternehmen aus der Lebensmittelbranche an.

Der Verlag sieht für sein Buch im deutschsprachigen Raum eine grosse Marktlücke, wenn er feststellt: „Die Lebensmittelvielfalt in den Supermärkten steigt stetig. Wir können mittlerweile zwischen 15.000–20.000 verschiedenen Lebensmitteln wählen. Die Ansprüche der Verbraucher steigen. Dazu zählt auch, dass sie auf den ersten Blick erkennen können, wie ein Lebensmittel produziert wurde.“

Das Buch hat gar nicht erst die Absicht auf die islamologischen Aspekte des Halal-Foods einzugehen, es wird ein hilfreiches Nachschlagewerk für Lebensmittelchemiker und -technologen, nicht zuletzt aber auch für die aufgeklärten Verbraucherinnen. „Der Verbraucher soll trotz wachsender Vielfalt auf dem Lebensmittelmarkt nicht die Orientierung verlieren. So kommt es, dass wir immer häufiger Gütesiegel wie „Bio“, „QS – Ihr Prüfsystem für Lebensmittel“, die DLG-Medaillen oder sogar „Halal“ auf unseren Lebensmitteln finden. Sie sollen den Verbraucher auf den ersten Blick über die Art des Lebensmittels informieren und Sicherheit bei seiner Wahl geben. Vegetarier beispielsweise müssen durch das „V-Label“ nicht mühsam jede Zutatenliste durchgehen, um festzustellen, ob sie ein Lebensmittel essen können. Mit dem „V-Label“ dürfen nur Produkte gekennzeichnet werden, die keine Zutaten von getöteten Tieren enthalten und damit auch nicht hergestellt wurden (z. B. Gelatine zur Klärung).“

Für clevere Muslime sind die Websites der Veganer längst ein Geheimtipp, um rasch festzustellen, ob tierische Produkte in Lebensmitteln verwendet werden. Ist dies der Fall, so handelt es sich meist um Ingredienzien, die das Schwein lieferte und die für Juden wie Muslime strikt verboten sind.

Möchte ein Lebensmittelhersteller nun ein bestimmtes Gütesiegel führen, muss er ganz bestimmte Anforderungen vor und während der Produktion erfüllen. Für jedes einzelne Label gibt es genau festgelegte Vergabeverfahren. Außerdem entstehen ihm jeweils unterschiedliche Kosten. Für den Verbraucher wird es mit zunehmender Vielfalt der unterschiedlichen Gütesiegel immer schwieriger, sofort auf den ersten Blick zu erkennen, was ein Label genau aussagt. Unter welchen Bedingungen das Lebensmittel beispielsweise produziert wurde und auch wie verbreitet das Gütesiegel eigentlich ist.

Die Autorin Dr. Sylvia Pfaff gibt in dem Buch „Gütesiegel auf Lebensmitteln – Was sagen Labels wie Bio, Halal oder IFS aus?“ eine klare Übersicht über die gängigsten Lebensmittellabels. Das Buch zeigt laut Verlagsankündigung dem Lebensmittelhersteller die Produktionsbedingungen und mögliche entstehende Kosten. Es hilft aber in gleichem Maße dem Verbraucher, herauszufinden, was ein bestimmtes Label überhaupt aussagt. „Zur einfacheren Suche wurden alle Labels alphabetisch angeordnet, auch wenn sie unterschiedlichen Bereichen zugeordnet wurden. Eine erschöpfende Auflistung aller Labels ist im Rahmen dieses Buches nicht möglich. Wir haben uns zunächst auf die Lebensmittellabels aus Deutschland beschränkt.“, so Sylvia Pfaff. Eine Einschätzung über die Bedeutung der einzelnen Gütesiegel wird dem Leser auch mitgegeben. Dies vereinfacht die Auswahl eines Labels erheblich – egal ob als Produzent oder Verbraucher.

Die Autorin ist keine Muslima, ebenso wenig wie zahlreiche Auditoren der Zertifikationsunternehmen. Sie vertritt die Speisevorschriften von Juden und Muslimen, koscher und halal, die ihr bestens bekannt sind, sozusagen technologisch. Die Lebensmittelchemikerin hat dabei einen guten Ruf als Wissenschaftlerin. Seit 2006 ist sie selbständige Unternehmerin und leitet den „Food Information Service (FIS) Europe“ welcher Zahlen, Daten und Fakten aus der Lebensmittelwirtschaft liefert. Bekannt geworden ist sie zuletzt durch ihren Koscher-Halal Workshop im Juni 2010 im IBIS Hotel Frankfurt. Im Social Network von XING schreibt sie zum Thema Koscher:

„Der Markt für koschere Lebensmittel entwickelt sich schnell. Den koscheren Lebensmittelmarkt beeinflusst sich zur Zeit die Welle „der Gesundheit und der natürlichen Nahrung“, die mehr als 10 % jährlich wächst. Die Mitnahme dieses Marktes kann außerordentlich gewinnbringend sein. Der Markt der Konsumenten, die absichtlich die koscheren Lebensmittel kaufen, umfasst Dutzende Millionen europäischer Verbraucher.“

Ohne dass es in ihren Aussagen explizit betont wird sind ihre Analysen ein weiterer Beweis für die These, dass nicht nur in Nordamerika sondern auch in Europa der Boom mit koscheren Lebensmitteln jenen des Halal-Food erst ausgelöst und dann mitgezogen hat. Bei der Ausstellung von Zertifikaten ist heute die technologisch-wissenschaftliche Beurteilung entscheidend, die Theologie begleitet die Analytiker. „Kein Rabbi oder Imam stellt Spuren von Schwein in der Gelatine fest, das tut der Chemiker“, sagt der Fachjournalist Peter Z. Ziegler aus Basel in der Schweiz. Hier seien die Synagogen im Vorteil: „Nicht selten ist der Rabbi ein Tierarzt, Chemiker oder Biologe, die Muslime in Nordamerika hängen hier noch zurück, von den europäischen Muslimen ganz zu schweigen.“ Der Experte empfiehlt den muslimischen Organisationen in Deutschland, sich mit islamologischen Disputen zurückzuhalten und in der Tradition des Islam die eigenen Naturwissenschaftler zu fördern. Noch immer gäbe es in Osteuropa den Imam, der gegen ein Bakschisch jedes gewünschte Zertifikat ausstelle. Bei den jüdischen Gemeinschaften in Nordamerika herrsche laut Peter Z. Ziegler dagegen mittlerweile eiserne Disziplin. „Eine grosser deutscher Industriebetrieb bekam vergangenes Jahr überraschend Besuch von einem Rabbi aus Kanada, der ausgiebig jede Ecke der Produktionsanlage prüfte und dazu mit seinen Gehilfen einen Tag benötigte. Sein europäischer Vorgänger war alle Jahre wieder zu einem freundlichen Kaffee erschienen und hatte danach den begehrten „K-„-Stempel für koschere Ware ohne weitere Umstände auf das Zertifikat gedrückt.“

Ein ähnlicher Wandel vollzieht sich derzeit bei den europäischen Halal-Zertifikaten wo derzeit bei den Zertifizierern in einem offensichtlich schmerzhaften Prozess die Spreu vom Weizen getrennt wird, erklärt Peter Z. Ziegler. „So mancher Moscheeverein wird seine wichtigste Einnahmequelle verlieren, weil es ihm schlicht an seriösen Fachleuten fehlt.“ Buchautorin Sylvia Pfaff stellt fest:

„In 2008 bekannten sich 3.500.000 Menschen zum muslimischen Glauben in Deutschland. Das kann aber nur eine Schätzung sein, weil eine Glaubenszugehörigkeit von den Behörden nicht erfasst wird. Andere Quellen geben für 2009 bereits 4,2 Mio Muslime in Deutschland an. Hierunter befinden sich ca. 1 Mio. Muslime mit deutschem Pass und 15.000 deutschstämmige Muslime (REMID, ZIA, 2008). In den letzten Jahren ist die Zahl immer noch steigend. Von den geschätzten 4,2 Mio. Muslime in Deutschland leben ca. 1 Mio. streng nach Halal-Richtlinien. “

Peter Z. Ziegler ergänzt, täglich würde die Nachfrage aus fünf Gründen gesteigert: muslimische Familien hätten mehr Kinder, es gäbe mehr Grossfamilien und mehr Anlässe für gemeinsame Feste, qualifizierte Muslime der jungen Generation verdienten immer besser und könnten sich hochwertige Lebensmittel leisten und islamkonforme Lebensmittel zu kaufen gehöre inzwischen zum Lifestyle. „Für Muslime gehört der Genuss von islamkonformen Lebensmitteln zum Gottesdienst. Sie kaufen daher bewusst islamisch ein, auch wenn sie nur selten eine Moschee besuchen.“ Zudem seien viele türkische Grossfamilien „europäischer“ als deutsche Familien, behauptet der Basler Fachjournalist. Wenn Mitglieder der Grossfamilie auch in Frankreich, den Beneluxländern oder gar Grossbritannien arbeiteten, dann würden Vergleiche angestellt und man wolle in Deutschland die gleichen Rechte besitzen wie die Landsleute in anderen EU-Ländern. „Ich fliege meist vom binationalen Airport Basel-Mulhouse nach Istanbul. Da beginnt schon im Airbus von Turkish Airlines der Informationsaustausch zwischen einem türkischen Ingenieur aus Freiburg und einer Filialleiterin der Sparkasse von Mulhouse. “

Das Buch „Gütesiegel auf Lebensmitteln – Was sagen Labels wie Bio, Halal oder IFS aus?“ erscheint Anfang Dezember im readL.media-Verlag. Sie können es aber bereits unter www.read-l-media.de vorbestellen.