Bann für Rindfleisch aus Neuseeland

Islam als Ausrede für einen Wirtschaftskonflikt

Auckland (BZZ) – Der Fleisch- und Milchproduzent Neuseeland muss um einen seiner besten Kunden bangen. Indonesien, größter islamischer Staat der Welt, will alle Rindfleischeinfuhren aus Neuseeland verbieten, da sie nicht mehr den strengen Regeln der Scharia entsprechen würden. Das Verbot sollte bereits zum 1. Oktober in Kraft treten, wurde jetzt aber bis zum nächsten Frühjahr aufgeschoben. In der Folge sind auch andere Agrar-Importe aus Neuseeland in Indonesien unter Beschuss geraten. 2008 wurden Produkte im Marktwert von fast 300 Millionen Euro als islamkonform nach Indonesien verschifft.

Der Fleischkonflikt zwischen den beiden Ländern begann bereits im Juni als die indonesische Regierung beiden muslimischen Zertifikationsstellen in Neuseeland plötzlich ihre Legitimation aberkannte. Schon im Mai waren 73 Container mit Rindfleisch aus Neuseeland und drei weitere aus Australien im indonesischen Hafen Tanjung Priok aufgehalten worden. Das islamische Fleischmanagement in Auckland wiederum erklärte, man habe keine Ahnung, warum dieser Schritt der Glaubensbrüder erfolgt sei. Die dortige „Federation of Islamic Associations” zertifiziert seit 30 Jahren Fleisch nach den Regeln der Scharia.

An islamologische Gründe für den Fleischkonflikt zwischen den beiden Ländern mag man heute nicht einmal mehr in Djakarta glauben. Mehrfach hatten die Indonesier die neuseeländische Regierung regelrecht vorgeführt. Schon 2008 war die Einfuhr neuseeländischen Fleisches gestoppt worden, damals war es angeblich nicht richtig als „Halal Food“ etikettiert. Nach einer Woche konnte der Konflikt auf Regierungsebene gelöst werden und der Bann wurde aufgehoben, nachdem der Handelsminister Neuseelands eine Verbesserung der Kennzeichnung zugesagt hatte.

Ein möglicher islamologischer Grund für den Bann wäre die Tatsache, dass Neuseeland die Schlachttiere vor der Tötung elektrisch betäubt. Dies ist bei Schafen technisch kein Problem, für die massigeren Rinder wurde im Inselstaat eigens eine neue Technologie angewandt. Vier dieser Betäubungsboxen, die rund 50 000 Euro kosten, sind übrigens auch in Deutschland im Einsatz und ersetzen z.B. beim Großschlachter VION den Bolzenschussapparat. Das hat mit dem Islam wenig zu tun. Bei BSE-Befall eines Schlachtrindes würde nämlich die schwammartige Gehirnkrankheit der Rinder durch einen Bolzenschuss auf das ganze Schlachtfleisch, einschließlich Filet, verteilt. Die meisten islamischen Gelehrten, darunter die „Ulema“ in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, akzeptieren heute die neuseeländische Betäubungsmethode und haben die Apparatur explizit genehmigt. Von konservativen Gelehrten in Indonesien und Malaysia wurde die Methode dagegen immer wieder einmal kritisiert aber nie wirklich verboten. So blockierte Malaysia bis 2007 zwei Jahre lang Rindfleisch aus Neuseeland, dann revidierte der dortige islamische Gelehrtenrat seinen Standpunkt. Inzwischen gilt Malaysia bei WHO und FAO als Musterland der Halal-Zertifizierung.

Fleischexperten gehen davon aus, dass die Gründe für den Konflikt mit Neuseeland eher in der indonesischen Innen- und Agrarpolitik zu suchen sind. Das Land mit seinen 240 Millionen Einwohnern importiert jährlich 70 000 Tonnen Rindfleisch aus Neuseeland und Australien. Neuseelands Anteil hatte 2008 einen Wert von 48 Millionen Euro. Das Fleisch aus beiden Ländern ist jedoch teuer und von vielen Indonesiern in Zeiten der Wirtschaftskrise kaum mehr zu bezahlen, die Versorgungsnot droht. Im Mai verabschiedete daher das Parlament ein Gesetz, dass es den Importeuren erlaubt, lebende Schlachttiere und Rindfleisch aus einer Reihe zusätzlicher Länder ins Land zu holen. Dies wiederum rief heftige Kritik der indonesischen Bauernverbandes PPSKI hervor, denn auf der Liste zugelassener Staaten stehen sogar Länder, die nicht frei von Maul- und Klauenseuche sind.

Der Sprecher der indonesischen Rinderfarmer, Teguh Boediyana, enthüllte im „Jakarta Globe“ die wahren Beweggründe des neuen Gesetzes. Indonesien will die Rindfleischimporte aus Neuseeland und Australien durch solche aus Brasilien ersetzen. Dort hatte zwar die Maul- und Klauenseuche zuletzt 2004 gewütet, doch brasilianisches Rindfleisch kostet in Indonesien pro Kilo nur 2,30 Euro. Sogar das qualitativ meist schlechtere einheimische Rindfleisch ist mit 3,06 Euro erheblich teurer und wer gar das Beef aus Neuseeland essen will, der muss 3,83 Euro für das Kilo bezahlen. Der Preisunterschied von 1,53 Euro pro Kilo dürfte auch in Europa ein entscheidendes Argument für die Mehrzahl der Kunden von Supermärkten sein.

Neugierig macht die Neuseeländer, wie die indonesischen Islamgelehrten begründen wollen, dass in Brasilien geschlachtetes Rindfleisch gottgefälliger ist als jenes aus Neuseeland. Noch schwieriger zu legitimieren wären Transporte von lebenden Rindern aus Südamerika nach Südostasien, denn der Koran sieht im Tierschutz ein zwingendes Gebot, das nur allzu oft von muslimischen Schlachtern missachtet wird. Tierschutzgerecht kann ein Transport über drei Weltmeere kaum sein. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass der Islam als Ausrede für einen Wirtschaftskonflikt missbraucht wird und sich die Ulema in Indonesien vor den politischen Karren hat spannen lassen.

Inzwischen kämpfen einheimische Rinderzüchter und neuseeländische Agrarpolitiker gemeinsam gegen Politiker, die islamische Gebote offenbar nur vorgeben, um wiedergewählt zu werden. „Das neue Gesetz sorgt nur für die Erhöhung des Einfuhrvolumen statt für eine Verbesserung der Selbstversorgung,“ sagte der Farmerverbands-Funktionär Teguh Boediyana. Indonesiens Landwirtschaftsministerium hatte ursprünglich versprochen, im Jahr 2010 werde das Land unabhängig von Rindfleischeinfuhren sein, kürzlich korrigierte es dieses Datum nach oben. Jetzt soll es 2014 soweit sein. Die Nachfrage nach Rindfleisch beträgt derzeit 397 000 Tonnen, die einheimische Produktion kann nur 70 Prozent davon liefern. Die fehlenden 120 000 Tonnen wurden 2008 mit Kühlschiffen aus dem relativ nahen Neuseeland und Australien geholt.

Seit Monaten hat der Fleischkonflikt zu hektischer Diplomatie zwischen den beiden Staaten geführt. Für die rinderzüchtenden „Kiwis“ wäre der Verlust des Exportlandes Indonesien mitten in der Wirtschaftskrise ein herber Verlust. Immer wieder schaltete sich deshalb Neuseelands Handelsminister Tim Groser ein. Sogar der Verband Südostasiatischer Nationen, die in Djakarta sitzende ASEAN, wurde bemüht. Der indonesische Außenminister Hassan Wirajuda versuchte am Montag die Wogen bei einem Besuch in Neuseelands Hauptstadt Wellington zu glätten. Sein Land strebe keinen Abbau sondern eine Ausweitung des Handels mit Neuseeland und Australien an. Wirajuda versprach den Neuseeländern aber nicht die Aufhebung des Rindfleischbanns, sondern nur einen kleinen Aufschub. Die islamischen Gelehrten beider Länder sollten Zeit bis zum Frühjahr 2010 bekommen, die bestehenden Differenzen bei der Halal-Zertifizierung zu lösen.

Die für die Zertifizierungen verantwortlichen Stellen in Neuseeland, das islamische Fleischmanagement und der Verband der islamischen Vereine (FIA), wissen freilich noch nicht, was von ihnen wirklich verlangt wird. Das, so der indonesische Außenminister in Wellington, soll erst noch von seiner Regierung und dem dortigen Rat der Islamgelehrten (MUI) ausgehandelt werden. „Wir haben unsere Schwierigkeiten zu Hause, vor allem die Koordinierung der staatlichen Stellen, aber auch mit dem Rat der Ulema,“ gestand Hassan Wirajuda der neuseeländischen Presseagentur NZPA. Die indonesische Regierung brauche Zeit, um die neuen Regeln aufzustellen und dann zu entscheiden, ob die neuseeländischen Zertifikationsstellen wieder anerkannt würden oder die Aufgabe an indonesische Zertifizierer übertragen werden. Die Verschiebung der Entscheidung folgt auf die jüngste Wiederwahl von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, der eine Umbildung seines Kabinetts plant. Der Präsident steht dabei auch unter Erwartungsdruck durch islamische Verbände. So wird spekuliert, dass die indonesischen Unternehmen künftig keine Konkurrenz bei Halal-Food mehr dulden wollen, um selbst zum weltweit führenden Hersteller von Halal-Lebensmitteln und Getränken zu werden.