Auch Andersgläubige kaufen koscher ein

Konsumenten in den USA suchen vermehrt Qualität und Sicherheit

Chicago/Basel (BZZ) – Menschen aller Glaubensrichtungen sind die Kund­schaft für einen stärker werdenden Markt für koschere Lebensmittel. „Koscher“ sind in der jüdischen religiösen Tradition „reine“, „taugliche“ oder „geeignete“ Nahrungsmittel, Gegenstände oder Handlungen. Laut einem soeben publizierten Bericht des global agierenden Marktforschungsunternehmens Mintel in Chicago sind es in den USA längst nicht mehr nur Juden, sondern auch Muslime und Christen, aber auch Menschen ohne religiöse Überzeugung, die koschere Lebensmittel kaufen.

Eine repräsentative Verbraucherumfrage unter 2500 Er­wach­senen ergab, dass der wichtigste Grund für den Kauf von koscheren Lebensmitteln die Qualität ist (62 %). Das „allgemeine Gesundheitsbewusstsein“ (51 %) war der zweit­häufigste Grund und die Lebensmittelsicherheit (34 %) rangierte an dritter Stelle. Nur ganze 14 % der Befragten gaben an, sie würden koscher kaufen, um religiöse Regeln zu befolgen. Weitere 10 Prozent kaufen koscher im Einklang mit anderen religiösen Regeln, die für Lebensmittel ähnliche Beschränkungen kennen, wie z.B. „halal“ für Muslime. „Koschere Lebensmittel genießen den Ruf, sorgfältiger und gründ­licher inspiziert zu werden als nicht koschere“, sagte die Senioranalystin von Mintel, Marcia Mogelonsky, bei der Vorstellung der Studie. „Mit Blick auf die heute bekannten Risiken bei Nahrungsmitteln haben die Menschen damit begonnen, dass sie sich sogar beim Kauf der ihnen am meisten bekannten Lebensmittel neu orientieren. Wir erwarten deshalb, dass noch mehr Erwachsene als bisher koschere Lebensmittel kaufen, weil sie sichere Lebensmittel  und Qualität haben möchten.“

Mit einem Umsatz von 12,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 ist der koschere Lebensmittelmarkt in den USA seit 2003 um 64 Prozent gewachsen. Dreizehn Prozent der von den Marktforschern Befragten gaben an, sie würden bewusst bevorzugt koschere Lebensmittel kaufen. Aus den Daten von Mintel geht außerdem hervor, dass eines von vier neu eingeführten Lebensmittel- und Getränkeprodukten in den Vereinigten Staaten im Jahr 2008 ein koscheres Produkt war. Koscher zu sein ist zudem seit 2005 die wichtigste individuelle Anforderung, die von den Konsumenten an neue  Produkte der US-Lebensmittel- und Ge­tränke­industrie gestellt wird.

Unter vielen Muslimen herrscht die Ansicht, dass jüdisch-koscher gleich muslimisch-halal sei. Dies trifft freilich nur eingeschränkt zu. Die Regeln der jüdischen Küche, „Kaschrut“ genannt, sind oft nicht identisch mit den Anfor­derungen, welche von Muslimen an scha`ria-konforme Lebensmittel gestellt werden. Manchmal sind die Regeln für koscheres Essen restriktiver als die muslimischen Speisevorschriften, doch in zwei wichtigen Fällen ist es umgekehrt und der Islam kennt hier keine Toleranz: Alkohol ist für Mus­lime immer verboten, während die jüdischen Speisevorschriften den Wein und sogar einige Spirituosen für koscher erklären. Gelatine und Enzyme sind für die meisten jüdischen Gelehrten erlaubt, unab­hängig von ihrer Herkunft. Für islamisches „Halal“-Food muss sicher­gestellt sein, dass diese Stoffe unter keinen Umständen vom Schwein gewon­nen worden sind. Beim Fleisch sagt dagegen die Sunna, d.h. der Brauch, die gewohnte Handlungsweise und die überlieferten Normen der Muslime, dass bereits Prophet Mohammed in seinem Exil in Medina regelmäßig Fleisch beim „Schochet“, dem jüdischen Metzger des Ortes kaufte.

Nicht nur in den USA sondern auch im deutschsprachigen Europa hat sich die Nachfrage nach Lebensmitteln, die jüdischen oder islamischen Vorschriften entsprechen, stark erhöht. Wie detailliert die Regeln der jüdischen Küche sind, wird Andersgläubigen deutlich, wenn sie einmal in eine der umfangreichsten deutschsprachigen Koscherlisten blicken, die von jüdischen Religionsgelehrten in der Schweiz publiziert und gepflegt werden. Sowohl die „Israelitische Cultusgemeinde“ in Zürich als auch die Israelitische Gemeinde Basel listen vom Brot bis zur Zahnpasta, vom Tofu bis zum Tee-Instant und vom Honig bis zum Senf alle Stoffe auf, die für Juden unbedenklich sind. Immer mehr nichtjüdische Schweizer, vor allem auch die Muslime, sehen in der Liste inzwischen einen nützlichen Führer durch den Lebensmittelmarkt. Die 109 Seiten starke Broschüre kann von Touristen auch in englischer Sprache unter http://www.koscher.ch/ abgerufen werden.

Quelle: http://www.mintel.com/