Polen muss Verbot der Halal-Schlachtungen teuer bezahlen

Warschau (BZZ) – Mit etwa 500 Millionen US-Dollar Umsatz im Jahr 2012 waren rituelle Schlachtungen nach den religiösen Speisevorschriften der Muslime und der Juden für Polen´s Fleischindustrie kein unbedeutender Faktor. Nach dem Verbot der betäubungslosen Schlachtung frohlocken zwar die Tierschützer, aber einige Schlachthöfe stehen vor der Pleite und tausende Arbeitskräfte verloren ihren Job. Inzwischen wird vermutet, dass ausländische Konkurrenten die Tierschützer dazu missbrauchten um die polnische Fleischindustrie zu schwächen. Die grossen Gewinner sind fleischverarbeitende Betriebe in Rumänien, Kroatien und Litauen.

Seit dem Beitritt Polen´s in die EU im Jahr 2004 hatte es eine einst winzige Industrie geschafft 273.000 Tonnen Fleisch pro Jahr zu produzieren, davon rund 20 Prozent koscher und 80 Prozent halal. Nahezu ausnahmslos ging das Fleisch in den Export. Gemäss der polnischen Meat Association hatte vor dem Verbot das rituell geschlachtete Fleisch einen Anteil von etwa 30 Prozent aller polnischen Rind-, Lamm-und Geflügelexporte.

Einen Monat nach dem in Polen ein Schächtungsverbot in Kraft trat, schloss Rumänien einen Vertrag für die Lieferung von Zehntausenden von Tonnen Halal-Fleisch mit Jordanien, einem Land, das einmal viel Fleisch aus Polen importiert hatte. Die rumänische Geflügelproduktion wurde im vergangenen Jahr um 57 Prozent erhöht. Die Rindfleischproduktion stieg um 18,2 Prozent. In einem Interview sagte der rumänische Präsident Traian Basescu, sein Land werde weiterhin Forderungen der EU widerstehen das rituelle Schlachten zu beschränken.

Andere kleinere europäische Länder versuchen in die Marktlücke einzudringen, die durch das polnische Verbot entstand, darunter Kroatien. Die dortige Handelskammer hatte 19 muslimische Botschafter zur Eröffnung einer Spezialabteilung eingeladen, spezialisiert auf Halal-Fleischexporte. In Litauen konnte die Fleischlobby die Beschränkungen für das rituelle Schlachten erfolgreich bekämpfen. „Wir haben viel gutes Rindfleisch und es ist für uns sehr wichtig, die Halal-und Koscher-Verbraucher versorgen zu können“, sagte Egidijus Mackevicius, der Direktor der litauischen Meat Processors Association.

In Polen hoffen einige Unternehmer immer noch, dass die Klage von jüdischen und muslimischen Gemeinden gegen das Schächtverbot und der internationale Druck zur Aufhebung des Verbots führen könnten. Immer öfter hört man inzwischen von Verschwörungstheorien gegen die polnische Fleischwirtschaft. Ein großer Verbreiter der Theorien ist Kazimierz Marcinkiewicz, ein ehemaliger polnischer Ministerpräsident. Er sagte dem Radiosender ZET, ein deutsches Konsortium habe „ca. 1 Mio. Euro gesammelt, um das rituelle Schlachten in Polen zu liquidieren.“ Marcinkiewicz sagte das Konsortium habe sich selbst 2 Jahre gegeben, um sein Ziel zu erreichen, habe es aber in nur sechs Monaten geschafft und habe dazu nur ein Fünftel seines Budgets benötigt. Marcinkiewicz ist nicht der einzige mit dieser ungewöhnlichen Ansicht in Polen. Landwirtschaftsminister Stanislaw Kalemba sagte in einem Radio-Interview im Juli 2012, dass „ausländische Mächte versuchten, die polnische Fleischindustrie zu übernehmen.“ Laut der Radiostation nannte er Frankreich, eine Behauptung, die von der französischen Botschaft in Warschau prompt dementiert wurde. Solche Spekulationen werden von den negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Schächtverbotes in Polen verstärkt. In einem Land mit einer Arbeitslosenrate, die bereits drei Punkte höher als der EU-Durchschnitt von 10 Prozent ist, hat die Ächtung der rituellen Schlachtung die Arbeitslosigkeit für Tausende zur Folge. Aber auch viele Landwirte geraten in Existenznot. „Einige Politiker zerstören aus Gründen, die sie nicht einmal richtig erklären können, alles, was ich aufgebaut habe,“ sagte Slawomir Szyszka, ein Bauer in West-Polen. Er schickte eine Kunstoff-Kuh an die Politiker, die das Verbot unterstützt hatten und erklärte, dies sei eine Metapher für die „Kunststoff-Versprechen“ welche die Regierung gemacht habe.

Quelle: Halal Focus