Muslime in den USA wollen auch Biofleisch

(Halalfocus.com) – Es war für die Muslime in den USA bisher immer eine Herausforderung, Halal-Fleisch zu finden, auch wenn größere Gemeinden über jene Geschäfte und Firmen verfügen, die den islamischen Ernährungsregeln entsprechend schlachten und produzieren. Aber mit dem steigenden Bewusstsein von den Verhältnissen der Lebensmittelerzeugung- insbesondere im Rahmen der Fleischproduktion – in den Riesenfarmen und -fabriken, die Amerikas Lebensmittelgeschäfte beliefern, sind immer mehr Muslime davon überzeugt, dass bloßes Halal-Fleisch alleine nicht ausreicht.

„Wir lebten unter mit der Vorstellung, dass alles, das ‘halal’ ist, irgendwie in Ordnung sei“, meint die vierköpfige Mutter Sahra Nadiir aus Baltimore. „Die Leute, die Halal-Fleisch verkaufen, kaufen [oft] von den gleichen Großhändlern [wie der normale Lebensmittelhandel].“ Aus diesem Grund kauft Nadiir und ihre Familie seit letztem Jahr bei Green Zabiha ein, einem kleinen Unternehmen lokaler Muslime in der Nähe von Washington. Die Firma verkauft Fleisch, dass nicht nur nach islamischen Kriterien geschlachtet wird, sondern dessen Tiere auch „nach islamischen Kriterien“ aufgewachsen sind. Das heißt, hier werden die Tiere respektvoll behandelt, können leben und fressen, wie es ihrer Natur entspricht – ohne unnatürliche Zusätze von Hormonen oder Antibiotika.

Solch ein höherer Standard geht oft mit einer Bewusstseinsumstellung im Familienleben einher: ein Bewusstsein um die Folgen des eigenen Handels auf die Welt und die eigenen Kinder, für die Realitäten der Gesundheit des Landes, der ökologischen Probleme und dem Gehorsam gegenüber den qur’anischen Richtlinien. „Man ist, was man isst“, meint Karima Shamma, Mitbegründerin von Green Zabiha. Sie beschreibt, wie sie begonnen hat, sich für die Verbindung des Halal-Gedankens mit ökologischen Aspekten zu interessieren. „Wie eine Firma Lebensmittel verarbeitet, Tiere züchtet, die Art und Weise, in der die Lebensmittel behandelt werden, bevor sie auf unsere Teller kommen und wir sie verzehren, all dies hat eine spirituelle Wirkung auf uns als Personen.“

Wenn die meisten Amerikaner wüssten, wie ihr Fleisch erzeugt, die Tiere gefüttert und produziert würden, würden sie es nicht essen, ist Sahra Nadiir überzeugt. Die industrielle Landwirtschaft entwickelte sich im 20. Jahrhunderts mit dem Ziel, massenhaft Fleisch für Verzehr in der höchsten Menge und zu den geringsten Kosten zu erzeugen.

Um dieses Ziel zu erreichen, halten Züchter die Tiere auf geringstem Raum, um Effizienz zu steigern. Diese werden künstlichen Lebensbedingungen unterworfen, um ihr Wachstum zu beschleunigen. Ihnen werden Antibiotika, Nahrungszusätze und Hormone gespritzt und sie erhalten proteinreiches und billiges Futter, um ihr Gewicht zu steigern.

Auch wenn dies die Produktion der Tierzüchter und dadurch auch ihren Beitrag zur Wirtschaft erhöht, so hat dies Folgen für die Tiere selbst, die Menschen, die mit ihnen arbeiten und die Menschen, welche das Fleisch verzehren. Laut einer Statistik, die vom Zentrum für Lebensmittelsicherheit veröffentlicht wurde, erkranken in den USA jedes Jahr schätzungsweise 5.000 Menschen an einer Campylobacter-Infektion. Die Hauptquelle für jene Bakterien sind kontaminierte Hühner.

In industriellen Zuchtbetrieben schrumpft die Lebenszeit einer Kuh – durchschnittlich 25 Jahre – um vier Jahre. Und die genetische Selektion zu Gunsten schnell wachsender Hühner, die unter künstlicher Beleuchtung gehalten werden, kann nach Angaben der US-Tierschutzvereinigung vielfältige Ge­sund­heits­schäden verursachen, was ihre Leben verkürzt und elend macht.

„Ja, es gibt Tiere zum Nutzen der Menschen“, meint Mona Eldadah, eine dreifache Mutter aus dem Bundesstaat Maryland, die ebenfalls ihr Fleisch bei Green Zabiha kauft. „Aber zur gleichen Zeit sind sie Geschöpfe Allahs. Sollten wir sie nicht respektvoll behandeln, solange sie leben … insbesondere dann, wenn sie später zu Teilen unseres Körpers werden?“

Industrielle Zuchthühner können darüber hinaus Trinkwasser mit Nitraten verschmutzen, die in den Ausscheidungen von Hühnern und Kühen, aber auch in Düngemitteln enthalten sind. Ein Überschuss an Stickstoffen ist eine Haupt­quelle bei der Belastung von Gewässern. Im bekannten Fall der Chesapeake Bay kommt der größte Anteil der Stickstoff-Belastungen von der Hühnerzucht.

Aber das Problem kann auch den Menschen heimsuchen, wenn Beeinträchtigungen der Gesundheit durch die Belastung des Trinkwassers mit Stickstoffen und Nitraten auftreten. Dazu zählen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, der Fortpflanzungsorgane und neurologische Störungen, wobei Neugeborene, Kleinkinder, Schwangere und Ältere nach Angaben der Gesundheitsbehörden besonders empfänglich dafür sind. Einer der für Muslime beunruhigendsten Aspekte des Halal-Fleisches ist die Nahrung, die Tieren verfüttert wird. Es sollte bis 1997 dauern, als die US-Lebensmittel- und Medikamentenbehörde (FDA) den Gebrauch der meisten Proteine untersagten, die aus Tierleichen erzeugt wurden und die wiederum an die gleichen Spezies verfüttert wurden. Weitere Bestimmungen haben seitdem die Gesetzgebung verschärft, aber Tierfutter kann immer noch Anteile von Blut, Knochen, Fleisch oder Abfällen anderer Tiere enthalten.

„Das industriell erzeugte Fleisch und die Orte, an denen es produziert wird, ist verunreinigt … es ist giftiges Fleisch“, sagt Imam Mohammad Al-Asi aus Washington. „Wir haben erfahren, dass an einigen jener Orte Hühner unreines [Nadschas] Futter erhalten. Wenn sie dieses Futter bis zu dem Zeitpunkt erhalten, an dem sie geschlachtet wurden, dann ist ihr Fleisch fragwürdig.“

Der Qur’an enthält vielfältige Aussagen, dasjenige zu verzehren, welches erlaubt, gut und rein ist – oft begleitet vom Aufruf, Allah wegen Seiner Segnungen dankbar zu sein, Allah zu fürchten, keine Übertreibungen zu begehen oder sich vor Schaitan zu bewahren. An einem Punkt beschreibt Allah sogar die Schöpfung der Pflanzen für den Verzehr von Menschen und Tieren: mit Wasser aus den Himmeln. „(Er ist es,) Der die Erde für euch zu einem Lager gemacht hat und Wege über sie für euch hinlaufen lässt und Regen vom Himmel hernieder sendet. Und damit bringen Wir Paare von Pflanzenarten hervor. Esset denn und weidet euer Vieh. Wahrlich, hierin liegen Zeichen für Leute von Verstand.“ (TaHa, 53-54) Viele Gefährten des Propheten Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, berichteten, dass dieser ihnen den Verzehr von Tieren oder deren Milch verbat, die unreines gegessen hatten, erläutert Imam Mohammad Baianonie aus Raleigh in North Carolina. Manche Gelehrte seien der Ansicht, dass solche Tiere geschlachtet werden dürften, wenn eine Diät nach einer gewissen Zeit ihr System gereinigt habe, fügte er hinzu. Aber nach Angaben von Imam Al-Asi sei das in den industriellen Zuchtbetrieben heute gar nicht mehr möglich.

Auch wenn es nicht gesondert untersagt sei, das Fleisch, die Milch oder Eier von Tieren zu sich zu nehmen, die gefoltert oder misshandelt worden seien, so Mohammad Baianonie, sei es doch eindeutig verboten, Tiere überhaupt zu foltern oder ihnen zu schaden. „Als eine muslimische Gemeinschaft sollten wir immer sicherstellen, dass nicht nur unser Fleisch nach islamisch einwandfreier Methode geschlachtet worden ist, sondern auch, dass die Tiere nach tierfreundlichen und islamischen Standards aufgezogen und gefüttert worden sind“, fügt er hinzu. „Tiere wurde uns als Geschenk unserer Schöpfers, Allah, des Allmächtigen, anvertraut, und sie sind unter unserer Verantwortung.“ Da mehr und mehr Muslime sich dieser Fragen bewusst werden, gibt es zunehmend einen Trend, Fleisch bereitzustellen, dass sowohl hahal geschlachtet ist, als auch halal, das heißt natürlich und artgerecht, erzeugt wurde.

Ein derartiger Bewusstseinswandel in muslimischen Familien ist oft Teil eines größeren Verständnisses von den Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Umwelt. Sahra Nadiir beschrieb, wie sie sich zuerst über Lebensmittel fortbildete, als ihre Kinder geboren wurden. Sie hörte von wachsenden Gesundheitsproblemen in den USA wie beispielsweise Krebs. Zuerst kaufte sie organische Milch für ihre Kinder, dann Obst und Gemüse, um Pestizide in den üblichen Lebensmitteln zu vermeiden. Mitglieder ihrer Familie begannen, organisches Halal-Fleisch zu essen, nachdem sie und ihre Familienmitglieder über die kommerzielle Erzeugung von Fleisch gehört hatten. „Wir wollten tun, was uns Allah und Sein Gesandter gesagt haben und uns gut fühlen wegen dessen, was wir zu uns nehmen“, berichtet die Hausfrau von ihrem Bewusstseinswandel.

Für Teyebeh Bashir aus Kalifornien begann alles, aus eher unerfindlichen Gründen, mit Eisbären. Vor wenigen Jahren hörte sie von der globalen Erderwärmung und deren Folgen für den Lebensraum der Eisbären. Dies führte dazu, dass sie sich Gedanken über ihre Verantwortung machte, die sie als Muslimin gegenüber der Erde hat. „Als Muslime tun wir nicht genug, um etwas zurückzugeben“, meint sie. „Hier in diesem Land … ist die wichtigste Sache der Besuch der Moschee, die Verrichtung der Gebete, aber dabei bleibt es auch. Es gibt nichts auf der Erde, für das man leben könnte … für die Kinder, um sich daran zu erfreuen, wenn wir es nicht beschützen.“

Aufgrund ihrer eigenen Beschäftigung mit ökologischen Fragen wurde sie „grün“. Zuerst, indem sie natürliche Reinigungsmittel in ihrem Haushalt verwendete, dann, als sie organische, lokal erzeugte Lebensmittel kaufte. Dann wollte sie natürliches Rindfleisch kaufen – nicht „biologisches“, denn sie fürchtete, dass das bloße Label nicht viel bedeuten würde -, bei dem die Rinder mit Gras gefüttert werden und frei sind von Hormonen und Chemikalien.

Im Augenblick will sie mit anderen Familien in ihrer Region eine Kuh von einem lokalen Bauern kaufen, die natürlich aufgezogen wurde, um sie dann islamisch schlachten zu lassen. Das ist im wörtlichen Sinne ein riesiges Projekt, denn die Kuh, für die sie sich interessiert, wiegt an die 1.500 Pfund und muss zwischen verschiedenen Familien aufgeteilt werden, bei der jede einige hundert Pfund Fleisch erhält. „Es ist besser, ein reines Fleisch zu haben und ‘Bismillah’ (im Namen Allahs) darüber zu sprechen, als welches zu haben, das zwar nach islamischen Maßstäben geschlachtet worden ist, wobei das Schlachttier aber nicht die ihm gemäße Nahrung erhalten hat“, meint sie.

Es gebe in Nordkalifornien, der Region in der sie lebt, weitere Möglichkeiten, natürliches Fleisch zu erstehen, so beispielsweise der Alhambra Fleischmarkt in San Francisco, dessen Fleisch nicht nur von Hand islamisch geschlachtet wird, sondern auch frei von Hormonen, Wachstumsbeschleunigern und tierischen Nebenprodukten im Futter ist. Hier bekommen die Kühe Gras und die Hühner Getreide gefüttert. Der Besitzer, Souleiman Ghali, verkauft sowohl natürliches Fleisch, aber auch solches, dass als „organisch“ bezeichnet wird. Dieses sei, so die Auskunft des Ladenbesitzers, aber eindeutig teurer. Teilweise betrügen die Preise allein schon wegen der Klassifizierung das Doppelte. Während muslimische Kunden häufig versuchten, ohne Interesse für die Qualität am Preis zu feilschen, seien es die nicht-muslimischen Kunden von Ghali (nach eigenen Angaben 80 Prozent aller Fleischkäufer), die ihm mitteilten, sie „liebten das Halal-Fleisch wegen dessen Qualität“.

Natürliches oder „organisches“ Fleisch koste wesentlich mehr als industriell erzeugtes. Aber viele Muslime, die sich am Ende dafür entscheiden, betrachteten es als Segnung auf ihre eigene Art und Weise, denn dies zwinge sie, weniger Fleisch zu essen und statt dessen mehr Obst und Gemüse. Bashir beschreibt, wie sie ganz verschiedene Aspekte ihrer Lebensweise verändert hat. Sie vermied, „hier und dort“ Geld auszugeben oder auswärts zu essen, um in der Lage zu sein, sich bessere Lebensmittel für ihre Familie zu leisten. Sie hat ähnliche Entwicklungen auch bei anderen muslimischen Familien beobachten könnten.

„Jeder, der es will, kann dies tun“, meint Sahra Nadiir. „Es ist ein bisschen teurer … insgesamt gibt man die gleiche Menge Geld aus, aber wir essen weniger. Wer organische oder gesündere Dinge zu sich nimmt, braucht sowieso weniger.“ Die Firma Green Zabiha lässt ihre Kunden ganz genau wissen, warum „normales“ Fleisch wesentlich weniger kostet. Je billiger der Einkaufspreis für industriell erzeugtes Fleisch sei, desto teurer werde es in Sachen tierischer, menschlicher Gesundheit und der Umwelt.

Dieses wachsende Bewusstsein führt auch zu der Frage, wie Muslime in Ländern wie den Vereinigten Staaten ihre Leben in die eigenen Hände nehmen können, meint Imam Al-Asi. Wenn Muslime Fleisch brauchen, das halal zum Verzehr ist, dann sollten sie auch Bauernhöfe besitzen und Tiere auf eine islamisch akzeptable Weise Aufziehen und Füttern.

Er verweist auf das große Sortiment an koscheren Lebensmitteln in den Supermärkten, um den jüdischen Ernährungsregeln zu entsprechen. „Vielleicht haben wir auch einmal islamische Regale mit Halal-Produkten“, hofft der Imam. „Wir müssen aktiv, mutig und fortschrittlich denken, damit wir das Notwendige tun können.“