Verbraucher braucht kein Halal- sondern ein Verbots-Zertifikat

München (BZZ) – Mit seinen Thesen zur Halal-Zertifizierung von islamkonformen Lebensmitteln hat Dr. Hasan Karaca vom Forschungszentrum für Religion und Gesellschaft (forege) bei einem Marktforum vor der IHK München über „Halal Food“ Aufsehen erregt. „Die ‚Halal-Zertifizierung‘ beziehe sich im traditionell religiösen Sinne auf den sachgemäßen Umgang mit Lebensmitteln, nicht auf das Produkt als solches, sagte Karaca. In der Konsequenz bräuchten die Verbraucher kein „Halal“ -(= ‚Erlaubtes‘), sondern ein „Verbots“-Zertifikat, damit sei „Halal“ eine Verbraucherschutzfrage. Der Verbraucher dürfe nicht in die Abhängigkeit von Halal-Zertifikaten gebracht werden, sondern müsse aufgrund einer sinnvollen Auslobung der Waren selbst entscheiden können, was erlaubt ist und was nicht. Karaca ist der Meinung, dass die Halal-Zertifizierung auch zur Verwirrung der Verbraucher führen könne.

Gemäss Dr. Hasan Karaca bedeute eine Arbeit an der Halal-Frage heute immer auch eine Arbeit an Begriffen. „Die Vorstellungen von Halal variieren so stark, dass erst eine Klärung des Bedeutungsumfeldes verdeutlicht wo der Halal-Markt steht und vielleicht auch wohin er sich hinzubewegen hat.“ Auszugehen sei dabei von der islamischen Wissenschaftstradition, sowie von dem schwer zugänglichen Verständnis des Verbrauchers. Der Halal-Markt definiere den Halal-Begriff von Anfang an problematisch, da er ihn als eine Produktkategorie und nicht als eine Handlungskategorie auffasse.

Der in der islamischen Jurisprudenz verwendete Halal-Begriff erweist sich laut Karaca im Kontext der Anwendung als Zertifikat als problematisch. Die Problematik liege darin, dass sie über das zertifizierte Produkt eine negative Aussage mache (nämlich dass dieses Produkt nicht verboten ist) und keine Aussagen über andere Produkte gleichen Typs beinhalte. Der Halal-Markt produziere und suggeriere allerdings ein Feld an Verboten, indem er Halal als Sachkategorie einführe. Diese Marktlogik erschließe erst den Halal-Markt. Er wirke aber zu ungunsten des (muslimischen) Verbrauchers, da dieser verunsichert und handlungsunfähig gemacht werde, auch an Stellen, wo keine Notwendigkeit ersichtlich sei.

Karaca sagt in seinen Thesen: „Auch der Begriff der Unreinheit (Najasa) wird auf dem Halal-Markt problematisch angewandt. Dem Verbraucher wird suggeriert, dass es sich bei Najasa um eine rituelle Unreinheit handele. Textquellen zeigen jedoch, dass Najasa materiellen Schmutz bedeutet.“ So werde die Diskussion um Halal-Lebensmittel oft zu einem ökonomischen Agieren gegen den Verbraucher zu Gunsten der Markterschließung. Die vermeintliche oder tatsächliche Sensibilität des Verbrauchers werde erst in diesem
Prozess produziert.

Ein Großteil muslimischer Endverbraucher ist laut Karaca sensibel in Lebensmittelfragen. Die Aufgabe von Halal-Zertifikaten müsse diese Sensibilitäten so aufgreifen, dass der Verbraucher handlungsfähig(er) gemacht werde und nicht umgekehrt. „Die Frage der Halal-Nahrung ist als eine Frage des Verbraucherschutzes zu verstehen, nur so kann sie sinnvoll Anklang bei den Muslimen finden und sich sinnvoll auf muslimische Wissenschaftstradition berufen. Halal-Zertifikate sind sinnvoll, wenn sie dem Verbraucher Produktionwege und -verfahren transparent machen.“

Quelle: 7. Marktforum am 7. September 2011 in der IHK München